I. Regelungen zur Beitragsfreiheit in Kindertagesstätten
Am 22. Juni 2018 hat der Niedersächsische Landtag die Beitragsfreiheit in Kindertagesstätten in Niedersachsen mit Wirkung ab 1. August 2018 beschlossen. Danach haben Kinder, die das 3. Lebensjahr vollendet haben, bis zu ihrer Einschulung einen Anspruch darauf, eine Tageseinrichtung mit Kräften, für die das Land Niedersachsen Finanzhilfe erbringt, beitragsfrei zu besuchen. Dieser Anspruch besteht unabhängig davon, in welcher Gruppenart (Krippengruppe, Kindergartengruppe, altersübergreifende Gruppe etc.) das Kind betreut wird.
Hierzu wurde das Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder (Nds. KiTaG) geändert und ein neuer § 16 b eingefügt, mit dem die Finanzhilfe des Landes (Zuschuss zu den Personalausgaben und den zur Betreuung erforderlichen Sachausgaben) für finanzhilfefähige Einrichtungen von 20 % auf zunächst 55 % der bisher geförderten Ausgaben im Kindergartenjahr 2018/2019 angehoben wurde. In den folgenden Jahren steigt dieser Anteil bis auf 58 % im Kindergartenjahr 2021/2022. In Integrationsgruppen können nach § 18 KiTaG ggf. zusätzliche angemessene Finanzhilfen für den nicht gedeckten zusätzlichen Förderaufwand gewährt werden. Weitere Mittel für Sprachbildung und Sprachförderung wurden mit dem neuen § 18 a in Aussicht gestellt. Mit diesen deutlich erhöhten Zuschüssen sollen die ausfallenden Kindergartenbeiträge der Eltern kompensiert werden.
Beitragsfrei sind nach § 21 KiTaG grundsätzlich bis zu 8 Stunden Betreuungszeit täglich. Für längere Betreuungszeiten oder für Verpflegungskosten können weiterhin von den Kindertagesstätten Elternbeiträge bzw. Essengelder gefordert werden.
Weitere Zuschussregelungen betreffen u.a. Kinder in altersübergreifenden und altersgemischten Gruppen.
II. Folgen der geänderten Regelungen:
Alle finanzhilfefähigen Kindertagesstätten, die bisher bereits von einer Finanzhilfe des Landes in Höhe von 20 % profitiert haben, müssten in den letzten Tagen per Email eine Benachrichtigung der Niedersächsischen Landesschulbehörde – Fachbereich Frühkindliche Bildung - erhalten haben. In dieser Mitteilung wurde auf die neuen gesetzlichen Bestimmungen hingewiesen und unter Bezugnahme auf die zurzeit im Änderungsverfahren befindliche Durchführungsverordnung (2. DVO-KiTaG) und – mit Ausnahme der Kindertagesstätten mit ausschließlichen Krippengruppen und/oder Hortgruppen – eine Abschlagszahlung in Höhe des 2,6 Fachen der zuletzt bewilligten Finanzhilfe angekündigt. Die Niedersächsische Landesschulbehörde teilt darin weiter mit, dass zurzeit mit hoher Priorität an der Vorbereitung und Abarbeitung der erhöhten Abschlagszahlungen gearbeitet werde, damit diese ab dem 1. August 2018 an die Träger ausgezahlt werden können.
Die meisten Regelkindergärten haben mit der örtlichen Kommune einen „Betreibervertrag“ oder „Betriebsführungsvertrag“ abgeschlossen, in dem eine ergänzende Finanzierung durch die Kommune sowie entsprechende Abrechnungsregelungen enthalten sind. Die kommunalen Spitzenverbände in Niedersachsen haben im Rahmen der politischen Beratungen zur Änderung des Nds. KiTaG Bedenken geäußert, ob durch die erhöhten Finanzhilfen des Landes wirklich die ausfallenden Elternbeträge vollständig kompensiert werden oder auch auf die Kommunen erhöhte Leistungen zukommen. Hierzu gibt es noch keine konkreten Berechnungen, da viele Kommunen ganz unterschiedliche Elternbeiträge erhoben haben. Das Land Niedersachsen hat zugesagt, hierzu einen Härtefallfonds einzurichten, zu dem aber von der Landesschulbehörde als umsetzender Stelle zurzeit noch keine Auskünfte gegeben werden können.
III. Unsere Handlungsempfehlungen:
Wenn Sie bisher Finanzhilfen des Landes erhalten haben, gehen Sie zunächst von einer Beitragsfreiheit für alle Kinder in Gruppen für drei- bis sechsjährige Kinder aus. Bitte erheben Sie ab 1. August 2018 keinesfalls Elternbeiträge für die Betreuung bis zu 8 Stunden pro Tag, damit Sie nicht auf den reduzierten Fördersatz von 20 % zurückfallen. Beiträge für darüber hinausgehende Zeiten oder Essensgeld sind rechtlich unproblematisch. Falls Sie befürchten, in einen Liquiditätsengpass zu geraten, weil ggf. die Abschläge des Landes nicht rechtzeitig eintreffen, können wir nur empfehlen, mit Ihrer Bank rechtzeitig unter Vorlage der Benachrichtigung der Landesschulbehörde einen kurzfristigen Überziehungskredit zu vereinbaren. Wenn Sie dennoch von Eltern Gelder einziehen wollen (die Sie später zurückzahlen), raten wir Ihnen unbedingt zum Abschluss eines schriftlichen Darlehensvertrages z.B. in Höhe eines durchschnittlichen bisherigen Kindergartenbeitrags mit den Eltern und keinesfalls zur einseitigen Erhebung von Elternbeiträgen wie bisher, da Sie dadurch den Anspruch auf höhere Landesförderung verlieren würden. Bei Neuaufnahmen könnte die Bemessung des Darlehensbetrages allerdings weitere Probleme verursachen, da Sie ggf. die jeweiligen Vermögensverhältnisse der neuen Eltern nicht kennen. Schreiben Sie außerdem Ihre Stadt oder Gemeinde an, mit der Sie einen Betreibervertrag abgeschlossen haben und bitten Sie um Mitteilung, wie die Umstellung weiter abgewickelt wird. Bitten Sie außerdem schriftlich um den Abschluss eines Nachtrags zu Ihrem Betreibervertrag in Hinblick auf die veränderten Finanzierungs- und Abrechnungsbedingungen. Kalkulieren Sie in jedem Fall überschlägig, ob mit der Erhöhung der Finanzhilfe auf das 2,6 Fache die ausbleibenden Elternbeiträge vollständig kompensiert werden. Falls nicht, teilen Sie dies bitte auch der Stadt oder Gemeinde in Ihrem Schreiben mit und melden Sie sich ggf. bei uns, um das weitere Vorgehen (Erhöhung der Abschläge der Stadt, Inanspruchnahme des Härtefallfonds seitens der Stadt bzw. durch Sie, evtl. Neuverhandlung des Betreibervertrags etc.) zu besprechen. Falls Sie zu dem Ergebnis kommen, dass die neuen Abschläge sogar Ihren bisherigen Zuschussbedarf deutlich übersteigen sollten (das könnte vor allem dann der Fall sein, wenn Sie einen Betriebsführungsvertrag mit einer ergänzenden Pauschalsumme mit Ihrer Kommune geschlossen haben), legen Sie die überschießenden Beträge bitte in die Rücklagen, da mit einer Rückforderung der Überzahlungen zu rechnen ist.
IV. Kindergärten mit Zusatzleitungen (z.B. Waldorf, Montessori)
Wenn Sie weitere Zusatzleitungen anbieten und hierfür bisher zusätzliche Elternbeträge gezahlt wurden, sprechen Sie uns bitte unbedingt an, wie weiter zu verfahren ist, damit Ihre Eltern die Beitragsfreiheit und Sie die erhöhten Finanzhilfen des Landes nicht verlieren. Auch das Kultusministerium beschäftigt sich auf Anfragen von Seiten der Einrichtungsträgerverbände derzeit mit diesem Problemkreis und hat angekündigt, zu diesen Fragestellungen zeitnah noch im Juli 2018 Erklärungen abzugeben, wie weiter zu verfahren ist. Diese Erläuterungen und Verfahrenshinweise werden sich allerdings nach unserer Einschätzung in erster Linie auf deutlich abgrenzbare Zusatzleistungen wie Zusatzangebote im Bereich von Musik und Bewegung, Eurythmie o.ä. beziehen und nicht auf die Kosten etwa einer dritten Betreuungskraft.
Wenn Sie hierzu Fragen haben, setzen Sie sich gern telefonisch oder per Email mit uns in Verbindung!
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