2023/01

Die halbherzige Digitalisierung

Im vergangenen Monat machte ein Finanzamt in Mecklenburg-Vorpommern Schlagzeilen. Eine Schenkungssteuererklärung der Nord Stream AG über eine Zuwendung an eine Stiftung war von der für die Bearbeitung zuständigen Beamtin im Kamin einer Bekannten verbrannt worden. Während die Presse über mögliche politische Hintergründe der Aktion spekuliert, stellt sich Steuerpraktikern vielleicht noch eine andere Frage:Woher hatte die Beamtin eigentlich ihren Brennstoff? Müssen Steuererklärungen nicht schon lange zwingend -außer in Härtefällen- digital abgegeben werden? Die Antwort: Für Erbschaft- und Schenkungssteuererklärungen gibt es bis heute keine Elster-Schnittstelle. Steuerpflichtige dürfen also nicht nur eine Papiersteuererklärungen übermitteln, sie müssen es in diesem Fall sogar. Der Härtefall scheint hier beim Staat zu liegen. Und das hat -nicht nur im Schornstein- spürbare Folgen: Die Veranlagung zur Erbschaft- oder Schenkungssteuer dauert regelmäßig unverhältnismäßig lange. In einem Extremfall haben wir jüngst einen Bescheid vom Finanzamt vier Jahre nach Abgabe der Steuererklärung erhalten.Die schleppende Digitalisierung der Finanzämter belastet nicht nur die Beamten. Auch die Bürger dürfen regelmäßig Unterlagen neu zusammenstellen, die Behörden bereits vorliegen, aber zwischen diesen nicht ausgetauscht werden. Ein Beispiel sind Steuerbescheinigungen: Häufig erleben wir, dass Finanzämter ORIGINAL-Steuerbescheinigung (sic) anfordern, ganz so als gäbe es hier eine gesiegelte und notariell beglaubigte Urkunde. In der Praxis bleibt dann nur die Möglichkeit achselzuckend das von Bank zur Verfügung gestellte PDF auszudrucken und per Post zu versenden. Warum hier offenbar kein automatischer Datenabgleich erfolgt (schließlich hat die Bank den Steuerabzug unter Angabe der Steuernummer des Empfängers elektronisch dem Finanzamt erklärt) erschließt sich nicht.

Zwar gibt es unbestreitbar positive Beispiele für Fortschritte in der Digitalisierung der Steuerverwaltung. Diese wirken aber oft halbherzig und einseitig. Auch im Sinne der Steuergerechtigkeit bleibt zu hoffen, dass die Digitalisierung beschleunigt wird. Denn Betrugsmodelle wie Cum-Ex oder das Umsatzsteuerkarussell werden durch den fehlenden Datenaustausch erst möglich gemacht.

Bei der Schenkungssteuererklärung besteht jedenfalls Hoffnung: In 2023 soll die Möglichkeit zur digitalen Übermittlung eingerichtet werden. Für den Kamin muss dann wieder Zeitungspapier verwendet werden.