Nach § 233a der Abgabenordnung werden Steuerforderungen zurzeit immer noch mit einem Zinssatz von 0,5 % pro Monat bzw. 6 % pro Jahr belegt. Bis November 2017 hat der Bundesfinanzhof als oberstes Finanzgericht diesen Streuersatz für noch angemessen gehalten – allerdings in einem Verfahren, das das Jahr 2013 betraf.
Mit einem am 14. Mai 2018 veröffentlichten Beschluss (Az.: IX B 21/18) hat der BFH jetzt erstmals anders entschieden und schwerwiegende Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der entsprechenden Vorschrift der Abgabenordnung geäußert. Nach Ansicht des BFH überschreite der seit 1961 geltende Zinssatz von 6 % wegen des inzwischen dauerhaft und strukturell niedrigen Marktzinsniveaus den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität in erheblichem Maße.
Gegenstand des Beschlusses war der vom Finanzgericht Köln entschiedene Fall eines Geschäftsmanns, für den bei einer Außenprüfung nachträglich ein Gewinn bei einem Anteils-verkauf festgestellt und bei der Einkommensteuerfestsetzung berücksichtigt worden war. Für den Zeitraum von April 2015 bis November 2017 sollten von ihm über 240.000 € Zinsen nachgezahlt werden. Diesen Betrag hielten die Richter für überhöht. In ähnlich gelagerten Fällen waren häufiger sogar die nachzuzahlenden Zinsen höher als die nachzuentrichtende Einkommensteuer.
Im Jahr 1961 bei seiner Einführung entsprach der Zinssatz in der durch die AO festgelegten Höhe der durchschnittlichen Verzinsung für Bundesanleihen von etwa 6 % pro Jahr. Heute liegt deren Verzinsung etwa bei 0,5 % pro Jahr. Vom Steuerzahlerbund gefordert wird ein Zinssatz von höchstens 3 % pro Jahr für Steuerforderungen. Damit würde trotz eines insgesamt niedrigeren Marktzinsniveaus auch einem gewissen „Bestrafungseffekt“ dieser Verzinsung Rechnung getragen.
Jetzt ist abzuwarten, wie das Bundesverfassungsgericht über die Zinshöhe in § 233a AO entscheiden wird, da dort mehrere Fälle zu dieser Frage anhängig sind. Der BFH jedenfalls geht davon aus, dass die Zinshöhe von 6 % gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes und evtl. auch gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbare Übermaßverbot verstößt.