Auch bei der Rechnungsstellung an einen zum Vorsteuerabzug berechtigten Kunden ist die Anwendung des korrekten Steuersatzes von Bedeutung: Stellt ein Unternehmer eine Rechnung noch mit dem alten Steuersatz von 19 % (oder 7 %) aus, erbringt die Leistung aber im zweiten Halbjahr 2020, so hat er zu viel Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen. In diesem Fall schuldet er die ausgewiesene Steuer dennoch dem Finanzamt. Der Leistungsempfänger kann hingegen nur die tatsächlich geschuldete Umsatzsteuer (d.h. 16 % oder 5 %) als Vorsteuer abziehen.
Beispiel:
Ein Lieferant stellt für eine im August 2020 ausgeführte Lieferung eine Rechnung an einen anderen Unternehmer mit 1.000 EUR zzgl. 190 EUR Umsatzsteuer. Der Lieferant schuldet die gesetzlich vorgeschriebene Steuer von 16 % aus 1.190 EUR (= 164,14 EUR), sowie zusätzlich die Differenz von 25,86 EUR aufgrund der falschen Rechnung. Der Leistungsempfänger kann aber nur die Umsatzsteuer von 164,14 EUR als Vorsteuer abziehen.
Entsprechend müssen Rechnungen insbesondere in zeitlicher Nähe zu den beiden Umstellungsstichtagen sowohl vom Aussteller als auch vom Empfänger sorgfältig geprüft werden.
Dauerleistungen
Grundsätzlich ist auch bei Dauerleistungen der am Ende des Leistungszeitraumes gültige Steuersatz maßgeblich. Wird die Dauerleistung jedoch über kürzere Zeiträume (z.B. monatlich) abgerechnet, so liegen insoweit Teilleistungen vor, die zu unterschiedlichen Steuersätzen abgerechnet werden können. Dieser Grundsatz ist insbesondere auch für Mietverträge relevant. Bei in der Praxis üblicher, kalendermonatlicher Leistung der Miete gilt für das zweite Halbjahr der herabgesetzte Steuersatz. Es wird jedoch voraussichtlich erforderlich sein, den Mietvertrag oder ggf. Dauerrechnungen auf den geänderten Steuersatz anzupassen.
Bei der letzten Umsatzsteueränderung zum Jahreswechsel 2006/2007 wurden zur Nutzung des niedrigeren Steuersatzes vereinbarte Verkürzungen von Abrechnungszeiträumen anerkannt. Ebenso wurde die Berichtigung bereits erteilter Rechnungen anerkannt. Dies kann z.B. von Bedeutung sein, wenn für eine über das gesamte Kalenderjahr erbrachte Dauerleistungen bereits zu Anfang des Jahres eine Rechnung mit 19 % erteilt wurde. Nach den 2006 angewandten Grundsätzen könnte diese Rechnung, welche aufgrund der Beendigung der Dauerleistung im zweiten Halbjahr 2020 nur noch 16 % Umsatzsteuer unterliegt, berichtigt werden. Ob von der Finanzverwaltung auch 2020 entsprechend verfahren wird, ist gegenwärtig noch nicht bekannt.
Fazit
Die als Konjunkturmaßnahme erfolgende Senkung der Umsatzsteuer führt in der Praxis zu vielen Abgrenzungsproblemen, welche hier nur auszugsweise dargestellt werden können. Zudem führt der von der Politik bewusst kurzfristig gewählte Zeitpunkt der Wirksamkeit der Änderungen dazu, dass Unternehmen und Verwaltung eine nur sehr knapp bemessene Zeit für die Einführung bleibt. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Finanzverwaltung bei ggf. erst in einigen Jahren stattfindenden Prüfungen diese Umstände berücksichtigt.
Weitere steuerliche Maßnahmen
Das Beschlusspapier des Koalitionsausschusses vom 3. Juni enthält weitere steuerliche Maßnahmen, welche wir kurz darstellen. In allen Fällen ist die konkrete Ausgestaltung und gesetzliche Umsetzung aber noch unklar.
Degressive Afa
Als steuerlicher Anreiz für Investitionen soll für die Jahre 2020 und 2021 eine degressive Abschreibung in Höhe des 2,5-fachen der Normalabschreibung (maximal 25 %) für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens eingeführt werden.
Erweiterung des steuerlichen Verlustrücktrags
Die Möglichkeit zum Verlustrücktrag soll für die Jahre 2020 und 2021 auf bis zu 10 Mio. Euro (bislang: max.
2 Mio. Euro) ausgeweitet werden. Daneben soll über die Möglichkeit zur Bildung einer steuerlichen Corona-Rücklage eine Berücksichtigung von Verlusten des Jahres 2020 bereits mit der Steuererklärung 2019 ermöglicht werden.
Besteuerung E-Autos
Bei rein elektrischen Dienstfahrzeugen mit einem Listenpreis von bis zu 40.000 Euro konnte bereits eine Besteuerung der Privatnutzung pauschal mit 0,25 % des Listenpreises erfolgen. Die Kaufpreisgrenze soll nun auf 60.000 Euro angehoben werden. Zudem werden E-Autos bis 2030 von der KFZ-Steuer befreit. Bislang galt diese Befreiung bis 2025.
Entlastungsbetrag für Alleinerziehende
Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wird für die Jahre 2020 und 2021 von derzeit 1.908 Euro auf 4.000 Euro angehoben.
Kinderbonus
Familien werden mit einem Kinderbonus von 300 Euro für jedes kindergeldberechtigte Kind unterstützt. Der Bonus wird mit dem Kinderfreibetrag verrechnet.