In den vergangenen Jahren konnte man das Wort „Compliance“ zunehmend auch im Sprachgebrauch deutscher Unternehmer wiederfinden. Der Begriff, welcher allgemeinsprachlich mit „Regelkonformität“ übersetzt werden könnte, soll in der Wirtschaft die Einhaltung von Verhaltensmaßregeln, Gesetzen und Richtlinien durch Unternehmen beschreiben. So lässt sich z.B. bei Wikipedia folgende Definition finden: „Der Begriff Compliance steht für die Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen, regulatorischer Standards und Erfüllung weiterer, wesentlicher und in der Regel vom Unternehmen selbst gesetzter ethischer Standards und Anforderungen.“
Insbesondere große Unternehmen sind angehalten ihre Gesetzestreue durch die Einrichtung von „Compliance Management Systemen“ nachzuweisen. Vergegenwärtigt man sich die erheblichen Auswirkungen gesetzeswidrigen Verhaltens in Unternehmen, derzeit z.B. beim Volkswagen-Konzern, so erscheinen Compliance Anforderungen gerade für große Unternehmen plausibel und sinnvoll.
Leider besteht bei der deutschen Finanzverwaltung offenbar eine etwas andere Perspektive auf das Thema „Compliance“. Als Beleg dafür kann ein BMF Schreiben vom 23. Mai 2016 herangezogen werden, welches sich mit dem Unterschied zwischen der Berichtigung von Steuererklärungen und der strafrechtlich relevanten Selbstanzeige befasst. Demnach kann ein „innerbetriebliches Kontrollsystem, dass der Erfüllung steuerlicher Pflichten dient“ (=Tax Compliance System) ein Indiz darstellen, dass gegen das Vorliegen eines vorsätzlichen oder leichtfertigen Handlung des Steuerpflichtigen spricht.
Aus Sicht der Finanzverwaltung wird dem Steuerpflichtigen somit ein Weg aufgezeigt, dem Verdacht strafrechtlich vorwerfbaren oder leichtfertigen Verhaltens vorzubeugen. In der Praxis ist indes zu befürchten, dass mancher Betriebsprüfer das Fehlen eines Tax Compliance Systems zum Anlass nehmen wird, auch in geringfügigen, alltäglichen Sachverhalten steuerrechtliches Fehlverhalten zu erkennen: Schließlich hat der Steuerpflichtige seinen Willen zu steuerehrlichem Verhalten nicht nachgewiesen.
Ob eine berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung künftig lediglich als berichtigte Steuererklärung ohne weitere Folgen oder als Selbstanzeige zu werten ist, kann dann vom Vorhandensein eines Tax Compliance Systems abhängig sein. So wird durch die Hintertür aus einem freiwilligen Instrument für Großkonzerne möglicherweise eine zusätzliche Pflicht für jedes mittelständische Unternehmen in Deutschland.