Am 8. Juli hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber mitgeteilt, was der breiten Öffentlichkeit schon lange bekannt war: Ein Zinssatz von 6 % ist spätestens seit 2014 „evident realitätsfern“. Mit diesem Zinssatz wurden seit 1961 Steuernachforderungen belastet, um wirtschaftliche Vorteile aus einer verspäteten Steuerfestsetzung abzuschöpfen. Aufgrund des Marktzinsniveaus mit einem z.B. bereits seit 2013 negativen Basiszinssatzes konnten aber schon seit mehreren Jahren keine entsprechenden wirtschaftlichen Vorteile mehr erzielt werden.
Vielmehr sind die Zinsen in den letzten Jahren offenbar zu einer willkommen Zusatzeinnahme des Fiskus geworden. Zuletzt nahm der Staat durch die Verzugszinsen rd. eine Milliarde Euro pro Jahr ein, wohlgemerkt nicht als Strafe, sondern eben zur Abschöpfung wirtschaftlicher Vorteile, die gar nicht mehr erzielt werden konnten.
Noch weit bedeutsamer könnte die Verweigerung des Staates zur Anerkennung von Marktrealitäten an anderer Stelle im Steuerrecht werden. Denn gemäß gesetzlicher Vorgabe sind auch Pensionsrückstellungen für Zwecke der Steuerermittlung ebenfalls mit dem Zinssatz von 6 % zu bewerten. Der hohe Zinssatz führt dazu, dass Pensionsverpflichtungen in den Steuerbilanzen der Unternehmen erheblich unterbewertet sind.
Das der Zinssatz von 6 % offenbar auch in diesem Zusammenhang zu hoch ist, ist dem Gesetzgeber jedoch nicht gänzlich entgangen. Für Zwecke der handelsrechtlichen Rechnungslegung werden Pensionslasten deutlich höher bewertet. Denn hier ist ein von der Bundesbank regelmäßig aktualisierter Zinssatz anzuwenden. Dieser lag zum 31. Oktober bei 1,37 %.
Konkret unterbindet der Gesetzgeber durch die unterschiedlichen Bewertungsvorgaben Ausschüttungen an Unternehmenseigner, erhebt aber gleichzeitig Steuern auf diese von der Ausschüttung ausgeschlossenen Mittel.
Der handfeste wirtschaftliche Hintergrund für dieses widersprüchliche Verhalten: Sollte der steuerliche Zinssatz gesenkt werden, könnten sich auf einen Schlag Steuerausfälle von 30 Milliarden Euro ergeben.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juli betrifft die gesetzliche Regelung zu Pensionslasten nicht. Es bleibt daher abzuwarten, ob sich das Bundesverfassungsgericht in weiteren Verfahren mit dieser Frage befassen muss. Wie es dann urteilen würde, kann man nun aber erahnen.